Iryna ist 36 Jahre alt, sie arbeitet als Managerin. Seit dem ersten Kriegstag ist sie in Kherson, zusammen mit ihrem 12-jährigen Sohn, im vierten Stock des vierstöckigen Hauses.
«Ich hatte keine große Wahl (zu fahren oder zu bleiben). Ich erfuhr über den Krieg von meinem Verwandten – er rief mich um 6:20 an und sagte, dass die Stadt vielleicht mit Bomben beworfen werde. Dann versuchte ich, meine Mutter zu erreichen – sie hatte gerade ein Gespräch mit der Großmutter (86 Jahre alt), die den II. Weltkrieg überleben hat. Die Oma sagte, sie sind seitens der Krym beschossen (neben der See Syvash seien Lichter zu sehen), die Flugzeuge fliegen nach Kherson. Und die Mutter hat um fünf Uhr hat die Explosionen im Flughafen Khersons gehört».
Irynas Großmutter lebe im Bezirk Kakhovka, diese Gegend ist von der Krym durch die See Syvash getrennt. Und die Mutter lebe in Kherson, im Stadtviertel neben dem Flughafen. Später wurde das Haus von Irynas Eltern, ein mehrstöckiges Haus, sowie die zwei Nachbarhäuser durch die Artillerie beschossen.
Iryna habe zahlreiche Verwandte im Gebiet Kherson an der Grenze mit der Krym. “Wir rufen schnell alle an, erfuhren über die Situation. Und es wurde uns klar, dass es schon zu spät ist, irgendwohin zu fahren. Wir hatten auch keine Ideen, wohin wir fliehen können – überall waren Explosionen – neben dem Flughafen, bei den Einfahrten. Militär-Fahrzeugkolonne, die von der Krym kam, war endlos”, – erzählt Iryna.
«Ich habe das Auto im Voraus vollgetankt, doch entschied, zu bleiben. Die Eltern wollten nicht das Haus verlassen, der Mann ist auf der Dienstreise (er ist der Seemann). Er war nicht im Netz, später gab es Verbindung und wir entschieden, es ist gefährlich auszureisen».
Am zehnten Kriegstag gebe es viel militärische Technik. Der Regionalrat sei umzingelt. Die Gebäude seien verstümmelt, beschossen. Tausende von Menschen kamen zu der Demonstration zum Regionalrat mit ukrainischen Fahnen und Worten: “Kherson ist die Ukraine”.
«Es ist mir klar, dass der Krieg nicht in zwei-drei Tagen endet (obwohl ich sehr darauf hoffe). Ich fühle Angst, Zweifel und Ratlosigkeit. Ich gewöhne mich an den Beschuss, unterscheide bereits, wenn man weit weg schießt (das bedeutet, ich darf nicht in die Deckung laufen). Ich höre ständig verschiedenen Geräuschen zu, jedes kann den Beginn des Beschusses andeuten. Ich verstehe, dass die Stadt umzingelt ist, es keine Ausfahrt gibt und ich nirgendwohin fliehen kann“.
Irynas Ehemann sei sehr besorgt, kann aber nicht helfen, doch die Gespräche mit ihm unterstützen Iryna. Die Besprechungen von Situationen mit verschiedenen Menschen, Analyse von Experten, Haustätigkeiten unterstützen (doch sie geben genug Kraft nur, um das Essen für den Sohn vorzubereiten).
„Am achten Tag beschloss ich, eine Serie anzuschauen, um mich abzulenken. Mein Sohn unterstützt mich sehr, es freut mich sehr, dass er sich des Ernstes der Lage nicht bewusst ist, obwohl er vieles sieht und hört. Wenn alles vorbei ist, träumt der Sohn davon, angeln zu gehen – bereitet die Angelkorke vor, testet sie im Aquarium“.
Es ist schwierig, das Leben in der Kriegszeit zu planen, man weiß nicht, was in der kommenden Stunde oder am nächsten Tag passiert. Seit dem ersten Kriegstag hat Iryna die vorbereiteten Rücksäcke mit notwendigsten Sachen, falls sie mal fliehen muss.
Iryna träume vom Frieden. „Ich träume davon, meinen Mann, meine Verwandten, Freunde und Kollegen zu treffen. Ich möchte, dass sie alle am Leben, sicher und gesund sind. Wir weinen ein bisschen zusammen und sagen: „Das haben wir erlebt!“