Illustrated by Тanya Guschina
Mykyta Motalyhin wird bald 20. In Friedenszeiten ist er Straßenmusiker. In den ersten zwei Kriegswochen schaffte er es bereits, einige Tage im Keller, sich vor Bomben versteckend, zu verbringen, sich die Fotos von toten Bekannten anzusehen und auf wundersame Weise aus Wolnowacha, das sich in eine Hölle verwandelt hatte, zu flüchten.
Trotz allem klingt seine Stimme ruhig.
Er erinnert sich daran, dass er den Beginn des Krieges fast versäumt hätte. Erst als eine Freundin aus Kyjiw ihm schrieb: „Und, kracht es bei euch?, hielt er sein Computerspiel an, machte das Fenster auf und hörte ein fernes „Bumm„.
Doch noch zwei Tage war es ruhig in der Stadt. Nur Militärtechnik fuhr durch die Straßen, aber man wusste nicht, wem sie gehörte. Und dann begannen die Beschüsse. Wir erlebten sie „demütig wie Kakerlaken.‟ “Es spielt keine Rolle, ob man zu Hause sitzt oder in ein Versteck rennt – es ist auf jeden Fall furchtbar”, so Mykyta.
„Es ist so ein dummes Gefühl‟, beschreibt der Junge den Zustand.
„Es scheint, als würde es direkt auf dich fliegen. Aber es schlägt irgendwo weit weg ein. Aber selbst wenn es weit weg ist, ist es sehr laut und extrem unangenehm — nicht weil man Angst hat, sondern weil man hilflos ist, dass man keine Kontrolle darüber hat, ob es dich treffen wird oder nicht.‟
Mykyta wohnte zusammen mit seinen Eltern in einem privaten dreistöckigen Haus. Als Strom und Wasser verschwanden, machte er sich keine Sorgen: Er wusste, dass das Haus alles hat, was er brauchte, und hoffte, dass die Versorgung wiederhergestellt würde. Doch als ein Geschoss einen halben Kilometer vom Haus entfernt einschlug, gab es keine Ruhe mehr. „Ich habe den Telegramm-Kanal von Wolnowacha geöffnet und habe ein Foto gesehen. Dort wurde eine Frau mit abgetrenntem Kopf gezeigt. Ich kannte sie persönlich, sie arbeitete mit meinem Vater auf dem Markt.‟
Die Beschüsse wurden immer intensiver — von morgens bis abends wurde etwas aus Panzern, „Grad‟-Systemen und Flugzeugen abgefeuert. Eines Tages ging Mykyta in die Küche, um Wasser zu trinken, als eine Druckwelle ein Fenster zerbrach und einen Teil der Wand zerstörte. Der Junge lief in das benachbarte Zimmer, aber ein Geschoss flog dort hinein und zertrümmerte eine ganze Wand. Nachdem sie Dokumente, Geld und Jacken ergriffen hatte, lief die Familie in den Keller, wo sie die nächste Nacht verbrachte.
„Meine Mutter hat verzweifelt gebetet, aber es hat uns nur genervt.‟
Als Ruhe einkehrte, gingen der Junge und seine Eltern durch ein Loch in der Wand in ihr eigenes Haus hinein, um alles Notwendige zu holen und ins Versteck zurückzukehren. Und dann befahl ihnen Mykytas älterer Bruder, weiße Lappen an das Auto zu hängen und die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen. So brachte sich die Familie „hysterisch mit einem weißen Lappen schwenkend‟ aus Wolnowacha in Sicherheit.
Jetzt halten sich Mykytas Eltern im Ausland auf, und der Junge ist in Luzk. Er ist überzeugt, dass die aktuellen Ereignisse manche verstören und manchen im Gegenteil Kraft geben würden.
„Wenn ich schon nicht gestorben bin, dann kann ich leben: Ich kann ins Ausland gehen, ich kann den Angehörigen helfen, ich kann wieder lernen, mich am Leben zu erfreuen und den Moment zu leben. Warum das alles nicht nutzen?‟