Anja ist 34 Jahre alt. Vor dem Krieg arbeitete sie als Direktorin einer in der Hauptstadt beliebten Gaststätte. Jetzt organisiert sie die Arbeit einer der Freiwilligenküchen auf der Basis eines Restaurants in Kyjiw.
Zusammen mit ihr arbeiten keine Profiköche, sondern Nachbarn, die sich entschieden haben, mitzumachen:
„Ich habe einfach im Chat unseres Hauses geschrieben, wo wir normalerweise Haushaltsprobleme lösen: Es gibt Möglichkeit, eine Küche zu eröffnen und dort für das Militär und Krankenhäuser zu kochen. Ich hatte gar nicht damit gerechnet, dass so viele Leute antworten würden. Es stellt sich heraus, dass viele der Stadt helfen wollen, aber einfach nicht wissen, wie sie das am besten machen könnten. Ehrlicherweise habe ich vor dem Krieg die meisten Nachbarn nicht einmal persönlich gekannt, und in den letzten zwei Tagen sind wir alle Freunde geworden“, sagt Ania.
Sie erinnert sich an die ersten Minute des Krieges: „Alles ist wie bei allen anderen. Ich hätte nie in meinem Leben gedacht, dass mein Mann mich einmal mitten in der Nacht wecken und sagen würde, dass der Krieg begonnen hat.“
Sie und ihr Mann haben sich in den ersten Stunden nicht zurechtgefunden und Kyjiw nicht verlassen. Und dann, als sie die Vor- und Nachteile abgewogen hatten, entschieden sie sich zu bleiben, weil sie hier ihnen nahestehende Menschen haben: eine Schwester, die vor 10 Tagen ein Kind zur Welt gebracht hat, und eine 90-jährige Großmutter.
„Es ist nichts Heldenhaftes daran, dass wir geblieben sind. Für uns war es einfach klar, dass sich niemand um unsere Lieben kümmern wird, wenn wir gehen. Und nicht bei ihnen zu sein, nicht helfen zu können ist schlimmer als zu den Geräuschen von Explosionen und Sirenen aufzuwachen und einzuschlafen.”
Sie sagt, die Hauptgefühle seien jetzt Verzweiflung und Hilflosigkeit, aber Freiwilligenarbeit helfe, sich zumindest ein wenig damit zurechtzufinden.
Jeder Tag sei wie ein „Murmeltiertag”. Die ganze Familie schlafe im Flur, stelle die Schuhe vor die Tür, um bei einem Aufprall schneller rauszulaufen. Sie wachen auf, essen, arbeiten in der Küche. Abends werden zu Hause alle Lichter ausgeschaltet und zum ersten Mal am Tag die Nachrichten gelesen. Sie freuen sich über kleine Siege und fühlen sich stolz auf die Armee. Sie beten.
Nach dem Krieg träumt Anya davon, etwas weniger zu arbeiten und mehr Zeit mit ihrer Familie zu verbringen: „Dieser Krieg hat gezeigt, dass man mit einem Schlag alles verlieren kann. Es stellte sich heraus, dass es vorher so viel Wertvolles gab – die Möglichkeit, geliebte Menschen jederzeit zu umarmen, so viel Licht und Freude. Aber ich war immer besorgt, habe immer irgendwelche Arbeitsprobleme gelöst und war mir nicht einmal bewusst, wie viel Glück in jedem Moment liegt, wenn es keinen Krieg gibt.”