Illustrated by Galochka Ch
“Damals, im Keller, wurde ein Junge geboren, er heißt Fedir”, erinnert sich Geburtshelfer und Gynäkologe Kyrylo Wenzkiwskyj, und seine Stimme wird weicher, wenn er den Namen des Neugeboren ausspricht. Zum ersten Mal in seiner 15-jährigen Praxis leistete er Geburtshilfe unter solchen Umständen – im Keller des Kyjiwer Perinatalzentrums während des Luftangriffs. Er kann nicht sagen, wann es passierte. Erwähnt einfach: Es waren die ersten Kriegstage, die ersten Tage der großangelegten russischen Invasion in der Ukraine, verschmolzen zu einem sehr langen Tag.
Es dauerte einige Tage, bis die Mediziner einen klaren Algorithmus für das Handeln in der neuen Realität entwickelt hatten. Die Einrichtung hat zwei Keller, und am Anfang gab es Fälle, in denen Ärzte, die Geburtshilfe leisten sollten, in verschiedene Deckungen gerieten.
“Fedir wurde geboren und hat geschrien, der Ehemann der Frau ist hereingekommen. Alle waren sehr glücklich, dass alles gut geklappt hat. Und dann sage ich, dass das Kind von einem Kinderarzt untersucht werden soll, und der ist in einer anderen Deckung“, erinnert sich Kyrylo. Dann hatten alle Glück – die Geburt ist gut verlaufen, sodass das Fehlen eines Kinderarztes nicht kritisch war. Alles hätte aber ganz anders sein können.”
Auch erinnert sich Kyrylo, dass es in den ersten Tagen moralisch sehr schwierig war: „Wir waren moralisch nicht bereit für eine solche Entwicklung, und vor allem unsere Patientinnen waren es nicht. Ihr Zustand ist bereits ziemlich anfällig. Wir mussten sie medizinisch versorgen und diese psychologischen Momente irgendwie glätten, weil Frauen zuerst in die Deckung gehen mussten und dann zu weinen begannen, dass sie nicht mehrmals pro Nacht mit Sachen in den Keller und dann zurück in die Krankenzimmer gehen wollen und können, es sei schwierig für sie. Wir haben mit ihnen gesprochen, versucht, den persönlichen Zugang zu finden.”
Nach den Nachrichten über den Angriff auf die Geburtsklinik in Mariupol sei die Besorgnis unter den Patientinnen des Perinatalzentrums gestiegen, sagt der Arzt: „Diese Nachricht hat die Ärzte schockiert und unsere Patientinnen verängstigt“, fügt Kyrylo hinzu.
Seit Beginn der großangelegten Invasion haben die meisten Ärzte des Perinatalzentrums das Krankenhaus nicht verlassen: Sie arbeiten 24 Stunden am Tag, sieben Tage pro Woche. Kyrylo Wenzkiwskyj ist einer von ihnen. Von 20 Kriegstagen war er zweimal zu Hause und ging zweimal in die Stadt, um Medikamente und Lebensmittel für seine Großeltern zu kaufen und sie zu besuchen. „Und so sind wir die ganze Zeit hier, bei unseren Patientinnen“, sagt er. Trotz der Koordination der ärztlichen Maßnahmen und ihrer Versuche, den Müttern die bequemsten und sichersten Bedingungen zu bieten, stellt Kyrylo Wenzkiwskyj fest: Dies sind immer noch nicht die Bedingungen, unter denen Kinder geboren werden sollten.
„Die Keller des Perinatalzentrums in Kyjiw sind nur Keller, in denen es keine Bedingungen für eine Geburt gibt“, sagt er. “Wir haben ein paar Betten und viele Stühle dorthin gebracht, weil während des Luftalarms Leute zu uns kommen, sogar aus Nachbarhäusern, wo es keine Keller gibt. Wir brachten ein wenig von dem herunter, was für die Arbeit benötigt wurde, haben Wasser, haltbare Lebensmittel, Medikamente besorgt, brachten Laternen und Decken. Im Keller, wo wir eine Kinderintensivstation haben, wurden die Transportkapseln installiert und alles, was für die Arbeit benötigt wird. Aber es sind immer noch nur Keller, wo nicht alles Notwendige, sondern nur das Nötigste vorhanden ist.”
Kyrylo Wenzkiwskyj erklärt, dass die optimale Temperatur im Kreißsaal 26 Grad betrage und es keine Zugluft geben solle. Auch mit Heizungen ist die Temperatur im Keller deutlich niedriger. Es ist auch unmöglich, Windeln im Keller zu erhitzen, mit denen Neugeborene abgewischt und bedeckt werden, wenn sie an die Brust der Mutter gelegt werden. “Was soll man zu Asepsis und Antiseptika sagen – es gibt keinen sterilen Raum. Das einzige, was wir haben, sind sterile Instrumente, die, sobald wir sie aus der luftdichten Verpackung holen, unsteril werden“, sagt Kyrylo.
“Die Kinder sollten unter anderen Bedingungen geboren werden! Das ist absoluter Unsinn! Im Zentrum Europas, in der Hauptstadt eines europäischen Landes, im 21. Jahrhundert…”, sagt er zum Schluss.
Datum des Gesprächs — 17. März 2022.
Übersetzung: Luba Bilinska