Illustrated by Lyubov Myau
Der 34-jährige Oleksandr Schamraj kommt aus der Region Luhansk. 2009 kam er nach Charkiw und ist hier geblieben. Er ist Bildhauer-Künstler und Holzschnitzer. Momentan versucht Oleksandr zu überleben und seine geliebte Menschen zu retten, die sich in einem der Bunker in Charkiw verstecken.
„Das sind die längsten sechs Tage meines Lebens. Ich habe eine große Familie, es sind Kinder und ältere Menschen. Wir halten stand, wir versuchen, uns in den Pausen zwischen den Bombenangriffen mit irgendwas zu beschäftigen, wir bereiten das Essen zu, wir bereiten die Sachen vor. Wir überlegen uns, was wir im Falle eines Bombenangriffs tun werden, kümmern uns um die Einrichtung des Kellers des Hauses – obwohl ich nicht wirklich an seine Sicherheit glaube.”
Die Hausarbeit lenke ab und helfe, den Krieg zu überleben. Die Menschen seien bereits daran gewöhnt, wachsam zu sein. Schweigen sei nicht beruhigend, denn man wisse nie, was als Nächstes passiert. Es sei schwer aufzuhören, die Nachrichten zu verfolgen, obwohl einem der Kopf bei so vielen Informationen schwirrt. Die Menschen warten ständig auf gute Neuigkeiten.
„Natürlich haben sie Angst. Die Leute verstehen nicht, warum ihnen das alles passiert ist. Es herrscht eine große nervöse Spannung. Alle warten auf Verhandlungen und einen Waffenstillstand“, sagte Oleksandr.
Mein Gesprächspartner habe Verwandte im besetzten Donbass. Er sagt, dass sich manche verstecken, und manche werden gefangen und zum Kampf geschickt.
Oleksandr denke ständig darüber nach, weg zu fahren, aber momentan sei es unrealistisch. Er ziehe seine Tochter selbst auf, kümmere sich um die betagten Eltern und könne keinen von ihnen in der Stadt zurücklassen. Gott sei Dank, sein Haus, ein gewöhnliches fünfstöckiges Gebäude, ist noch unversehrt. Es ist schwierig, etwas für länger als einen Tag zu planen.
„Ich verstehe, dass es sich um einen Völkermord handelt. Und seltsamerweise tun mir diese hohlköpfige Leute leid“, reflektiert Oleksandr.
Am ersten Kriegstag schickte sein ehemaliger Klassenkamerad eine Nachricht, in der er die russische Propaganda wortwörtlich wiederholte: „Sanja, ich kann den ukrainischen Nachrichten nicht glauben. Zelenskyj ist eine amerikanische Marionette. Amerika ist ein parasitäres Land, das überall Öl ins Feuer gießt.“
„Es war sehr traurig, so einen Mist zu lesen. Sonst alles in Ordnung, wir werden gewinnen!“ – schreibt mir Oleksandr und macht sich auf den Weg, um sich auf die nächste Nacht in der von Krieg beherrschten Stadt vorzubereiten.