Oleksandr Saklezkyj ist 43 Jahre alt. Jetzt verteidigt er die Stadt in einer Truppe der Territorialverteidigung von Kyjiw. Er sagt, dass er noch 2008 verstanden habe: Es werde einen Krieg geben; wenn Russland schon Georgien überfallen habe, so sei die Ukraine als nächste dran.
Oleksandr ist einer der Aktivisten des Majdan. 2014, als Russland die Krim annektierte und den Osten der Ukraine angriff, konnte er nicht an die Front, weil er seine kranke Mutter pflegen musste. Er hat jedoch eine Militärschulung hinter sich und betrieb in der letzten Zeit aktive Kulturdiplomatie.
Für 2022 plante er eine Fahrt mit dem Eisbrecher „Noosphere“ zur Antarktis — als Presseoffizier und Seeökologe für Unterwasserforschung. Aber dafür waren noch nicht alle Papiere fertig. Als der Krieg ausbrach, hielt er sich aus diesem Grund in Kyjiw auf.
„Wenn es schon mal so ist, so sollte es wohl so sein. Hier bringe ich mehr Nutzen. Eine Bekannte sagte einmal, dass ich ein Hüter von Kyjiw bin. Wohin soll ich denn auswandern? Wozu?“ – sagt er.
Die ersten Tage des Krieges waren die schwierigsten. Der Stress war so stark, dass man kaum essen konnte. Aber schon am nächsten Tag ging ich zusammen mit meinen Freunden zur Territorialverteidigung und ließ mich einschreiben.“
Jetzt sieht sein Tagesablauf so aus: Er steht um 6.30 auf, frühstückt und bekommt vor seinem Kommandeur eine Liste mit Tagesaufgaben.
„Es ist sehr hilfreich, dass ich acht Jahre in einer Kunstgalerie gearbeitet habe: Für mich gibt es keine zu ausgefallenen Aufgaben. Wie es damals war: Heute stehst du im Gala-Anzug und eröffnest eine Ausstellung und morgen musst du Kanalreparaturen durchführen. So unterschiedlich sind die Aufgaben auch jetzt: Arbeit an Kontrollpunkten, Verteilung der Hilfsgüter an Bedürftige, aber auch Umbau von Bombenkellern, um sie für einen längeren Aufenthalt geeignet zu machen. Dafür werden sowohl Kondition, als auch Sozialkapital benötigt. In solchen Räumen sollen beispielsweise Stromleitungen gelegt werden. Ich habe Kontakt mit einer Energie-Firma aufgenommen, und schon bald haben wir das nötige Starkstromkabel bekommen. Oder so eine „Kleinigkeit“ wie professionelle Messer in der Küche der Territorialverteidigung. Ich habe welche über bekannte Wirte beschafft, und alle sind erleichtert: Kochen geht nun einfacher und schneller. Alles kann angesichts der tragischen Ereignisse unwichtig vorkommen, aber eine grundsätzliche Bequemlichkeit lässt auf allen Ebenen sehr viel Energie frei — für Verteidigung, aktives Handeln und Hoffnung. Und das ist das Fundament des Sieges. In meinem Telefonbuch habe ich sehr viele Nummern gespeichert: von der Rohrreinigung bis zum Hersteller von Spitzenschuhen. Und in der Zeit des Krieges habe ich schon fast alle gebraucht: Du weißt nie, wessen einzigartige Kompetenz sich morgen als nützlich erweist.“
Oleksandr meint, so eine Einigung habe er nur auf dem Majdan gesehen. Es kam damals eine alte Frau zu ihm. Sie war zu schwach, um an Protesten teilnehmen zu können, aber sie brachte selbstgekochte Salzkartoffeln mit Zwiebeln.
So ist es auch heute: Alle helfen, womit sie nur können. Alle leisten Widerstand: „Wenn die Liebe Gott ist, so haben wir auf dem Majdan den Atem Gottes gespürt. Und spüren ihn auch jetzt. Das, wie die Ukrainer angesichts der Gefahr fröhlich und wütend werden, wie sie in den schrecklichen Augenblicken einander lieben und helfen können — das inspiriert alle Verteidiger“.
Oleksandr hat drei Träume, was er nach dem Sieg tun will. Der erste Traum: auf die Schlangeninsel zu reisen, um dort den neuen Tempel „Parthenon“ mit 13 Grenzsoldaten zu besichtigen: „Denn das sind unsere 300 Spartaner. Und in den weißen Marmor sollen dort die Worte „Russisches Schiff, verpiss dich“ eingemeißelt werden.
Der zweite: auf die ukrainische Krim zurückzukehren und auf dem Berg Karadag einen Grüntee aus der krimtatarischen Tontasse zu trinken.
Der dritte: einen unglaublich schönen Hut aufzusetzen und alle Freunde während des Literaturfestivals „Kyjiwer Buch-Arsenal“ zu umarmen.