Halyna (aus dem Dorf Prolisok in der Region Kyjiw) wird bald 30. Es ist möglich, dass sie ihren Geburtstag wie die vergangenen sieben Nächte in einer fremden Tiefgarage verbringt. Dort entkommen Halya und ihr 3-jähriger Sohn Bohdan vor Explosionen. Der Knabe zittert. Vielleicht wegen des Fiebers, die hohe Temperatur muss ständig gesenkt werden. Aber höchstwahrscheinlich wegen Angst. Halia hat auch Angst, aber sie zeigt es ihrem kleinen Sohn zuliebe nicht.
Als der Krieg ausbrach, konnte Halyna zunächst nicht verstehen, was geschieht. Sie hörte im Schlaf starke Explosionen und rannte in die Küche, wo ihr Mann die ganze Nacht an seinem Laptop arbeitete und einschlief. Sie dachten, es hätte etwas mit dem Haus zu tun und rannten auf den gemeinsamen Balkon zu den Nachbarn. Die wussten auch nicht, was los war.
„Und da begannen neue Explosionen“, – erinnert sich Halyna. – Wir haben das Kind nicht geweckt. Ich sammelte schweigend Dokumente in der Küche. Die Schwiegermutter rief an und sagte, dass seitens der Odessa Autobahn die Spuren von Raketen oder etwas Anderes zu sehen war. Wir waren immer noch in Prolisky, weil wir kein Auto haben und es keine Möglichkeit gab, davonzulaufen. Aber wir sahen, wie Leute mit Taschen in ihre Autos stiegen und wegfuhren. Am Vormittag waren ein paar Explosionen zu hören. Um 12 Uhr oder etwas später hörten wir eine Explosion in Brovary und beschlossen, dass wir fahren müssen“.
Es war schwierig, den Transport anzuhalten. Taxifahrer erklärten sich nicht bereit, auch nur zur nächsten U-Bahn-Station zu fahren, selbst für sehr viel Geld. Eine Stunde später gelang es uns doch, einen Fahrer zu finden, der zur U-Bahn fuhr.
Jetzt leben Halia und ihr Sohn, ihr Ehemann und ihre Schwiegermutter in einer Tiefgarage in einem fremden Dorf, ebenfalls in der Region Kyjiw. In einer Deckung ist es sicherer, so meine Gesprächspartnerin. Tagsüber gehen sie zum Waschen und Aufwärmen ins Haus von Bekannten, die nicht zu Hause sind. Aber es ist gefährlich, dort zu bleiben, weil es keinen Keller im Haus gibt.
An ersten Tage in der feuchtkalten Deckung bitte Bohdan ständig darum, nach Hause zu gehen. Er wollte weder essen noch schlafen. Und in ein paar Tagen fing er an, diesen Ort ein neues Zuhause zu nennen.
„Der Sohn lernte neue Wörter – „Bach“ und „ich habe Angst“. Besonders schlimm war die letzte Nacht (1. März – Red.). In der Tiefgarage zitterte die Tür. Es ist sehr kompliziert mit einem Kind, obwohl es wenig Verständnis dafür hat, was passiert. Ich verstehe nicht, warum wir das alles leiden“, seufzt Halia im Telefon.
Bodia erkrankte vor Kälte und hatte Fieber. Er klagte über Halsschmerzen. Der Mann ging in die Apotheke, um Medikamente zu holen, stand drei Stunden in der Schlange, kaufte, was er konnte (was noch in der Apotheke zu kaufen war). Die unbekannten Mädchen boten Hilfe und warme Sachen für ihren Sohn an.
Halia hat am meisten Angst um ihren Sohn. Sie beruhigt ihn, indem sie darüber sprechen, wie sie am Meer fahren. Um sich abzulenken, gehen sie tagsüber spazieren und füttern die Nachbarhunde. Abends malen und umarmen sie sich viel.
Nach jeder Nacht in der Tiefgarage habe Halyna die gleichen Gedanken: „Ich bin froh, dass ich aufgewacht bin. Das ist die Hauptsache. Du siehst die Nachbarn in der Deckung. Jedem ist es egal, wie du aussiehst, wie viel Geld du hast. Wir kannten uns nicht, und jetzt sind wir alle Verwandten geworden. Alle wurden durch den Krieg vereint.“